Zur Aktualität des Medienverbundes Architektur und Zeitschrift
Eva Maria Froschauer
English abstract
Intro 1
Ein in Berlin publiziertes Kultur- und Modemagazin mit dem zunächst rätselhaften Titel “032c” – gemeint ist damit tatsächlich das satte Pantone-Rot, das Schrift und Cover prägt – straft all jene Lügen, die längst das Ende der Verlagsbranche samt ihrer Druckprodukte haben kommen sehen. Denn das seit nunmehr seit über zwei Dezennien nur zwei Mal im Jahr erscheinende und geschäftstüchtig mit der gleichlautenden Modemarke verknüpfte Printprodukt ist eine Erfolgsgeschichte, die letztlich auf einem Medienverbund aus Journal und Marke basiert, einer “ästhetischen Idee” folgend und “medien- und genreübergreifend” arbeitend (Berliner Zeitung 2021). Es verwundert weiterhin kaum, dass das englischsprachige Magazin bisweilen mit Vordenkenden der Architektur einen solch themenübergreifenden Verbund eingeht. Mit dem jüngsten Heft Nummer 39 (Sommer 2021), nunmehr zum dritten Mal, ist es Rem Koolhaas, OMA/AMO, denen viel Raum gegeben wird, das Zeitgeistmagazin für deren manifeste Darstellungen zu nutzen: sei es zur zunehmenden Migration von Städterinnen und Städtern aufs Land (2012-13), zur selbstreflexiven Auseinandersetzung mit Mode und dem Label Prada (2017) und jüngst – nicht weniger trendbewusst – ein, wie es heißt,“speculative research report”, der den konzeptionellen und gebauten Raum des Krankenhauses freilich vor der Folie der Pandemie und der globalen Gesundheitsindustrie entwickelt (OMA 2021). Offenbar ist in den 2020er Jahren das Gedruckte wieder ein Raum der Avantgarden.
Intro 2
Rückblick: Wenig überraschend hatte bereits Adolf Loos das Verhältnis von Architektur zu medialer und genauer fotografischer Repräsentation in einer seiner Polemiken aus dem Jahr 1910 erwähnt. Dabei beklagte er – natürlich kokettierend –, dass seine Architektur in der neuesten Darstellung der Zeit, der Fotografie, gar nicht wirke. Dies alles im vollen Bewusstsein darüber, dass er selbst ein einflussreicher ‛Medienmacher’ der Architektur war. Die Unmöglichkeit des Einfangens und Abbildens von Gebautem galt ihm letztlich als ein Merkmal für dessen Qualität. Sein Augenzwinkern dahinter hieß so viel wie: Ein Architekt müsse die Mechanismen vom Zusammenspiel der Architektur und deren Publizität kennen – nur dann könne er sich auch darüber hinwegsetzen (Loos [1910] 1995).
Um vom historischen Fall in die Gegenwart zu blicken – die Grundregeln des Spiels haben sich kaum geändert: Architektinnen und Architekten müssen besondere Medienkompetenzen besitzen, sollen aus Handbüchern über Public Relations lernen und Veröffentlichungen strategisch und am besten auf allen verfügbaren Plattformen – von der Fachzeitschrift bis zu den sozialen Medien – planen. Was hinter diesen Forderungen oft vergessen wird, ist, dass ‛Architekturszene’ schon immer und wesentlich im Verbund mit Medien funktioniert hat. Denn die Repräsentationen von Architektur in unterschiedlichen Darstellungsformaten stehen vielmehr in einer Traditionslinie, als dass die Beziehung beider Komponenten immer wieder neu erfunden werden müsste. Deshalb richtet sich im Folgenden die Aufmerksamkeit auf: den bisweilen folgenreichen Zusammenfall von Medienwechsel und Repräsentationsform in der Architektur; den Medienverbund aus Architektur und Zeitschrift, gezeigt an einem kurzen Exkurs zum Thema ‛Berlin’; die bis heute anhaltende Wirksamkeit der Beziehungsgeschichte von Architektur und Medium/Magazin. In allen Fällen wird mit der Geschichte für die Gegenwart argumentiert*.
Architekturdarstellung und Medienwechsel
In seinem Buch Architecture in the Age of Printing hat Mario Carpo den Zusammenhang zwischen architektonischem Denken und medialer Repräsentation (Carpo 2001) am Beispiel der Produktionsbedingungen von Leon Battista Albertis De Re Aedificatoria (um 1443-1452 verfasst, 1485 gedruckt) eindrucksvoll offengelegt. Albertis Schrift stand in der Tradition handgeschriebener Traktate ohne Bilder – gedruckt wurde sie letztlich erst nach dessen Tod –, und mediale Vervielfältigung bedeutete händisches Kopieren, doch um Fehler in der Transkription, dieser ersten ‛technischen’ Reproduktion, zu vermeiden, gab Alberti dafür genaue Richtlinien mit (Carpo 2001, 119). Unterlassen werden sollten damit nicht nur Übertragungsfehler in der Vervielfältigung, vielmehr sollten Standards in der danach zu bauenden Architektur selbst gesichert werden. Carpo eröffnet also die brisante Frage: Was passiert, wenn lange eingeübte Wiedergabeformen von Architektur im Sinne eines Medienwechsels ‛umformatiert’ werden? Wenn damals schon ein einzelner ‛shift’ – von der Handschrift zur Drucktechnik – in der Lage gewesen ist, das Prinzip der Standardisierung in der gebauten Architektur selbst zu etablieren, dann müsste gegenwärtige Multimedialität in der Herstellung, der Darstellung und der Umsetzung von Architekturentwürfen diese noch viel deutlicher verändern. Carpo treibt folglich seine Behauptung konsequent bis in die Gegenwart, wenn er mit The Alphabet and the Algorithm erneut an Alberti (Carpo 2011), an einen Ahnherrn der ‛Autorenarchitektur’, anschließt, aber nun im Licht der digitalen Architekturproduktion die einmal ausgemachten Prinzipien rückwärts laufen lässt und jene (moderne) Standardisierungssehnsucht längst abgelöst von einem neuen Prinzip der Variabilisierung sieht. Dabei entstehe mit Hilfe digitaler Werkzeuge, so schreibt Carpo an anderer Stelle, eine quasi neue “(kunst-)handwerkliche Dimension” in diesen “volldigitalisierten Entwurfs- und Produktionsketten” (Carpo 2008, 40). Dass diese ‛Ketten’ der Digitalität längst nicht mehr im Entwurf und/oder Bau enden, sondern alle post-produktiven Prozesse, genauso jene der Veröffentlichung und Medialisierung umfassen, zeigt jeden Tag der Blick in die Publikationslandschaft der Gegenwartsarchitektur.
Möglicherweise ist aber wichtiger, dass der Autor grundsätzlich ein Geschichtsverständnis nutzt, das nicht zwingend eine immer fortschreitende Entwicklung sieht, sondern für das Verstehen der Gegenwart die Progressivität der Historie aktiviert. Man kann dafür sicher die geschichtsphilosophischen Grundlagen Walter Benjamins aufrufen (Gleiter 2012, 8-10) oder dessen Credo von der (modernen) Reproduzierbarkeit (Benjamin [1936] 1996, 41) einstreuen. In jedem Fall, die Zuschreibung, wie ‛modern’ oder gar ‛unmodern’ sich die Einzelschritte in der Architektur vom Entwurf über die Herstellung bis zur medialen Darstellung begreifen lassen, wäre laufend neu zu verhandeln. Und manchmal ist dabei dann auch ein Printprodukt wieder hochmodern.
Traditionslinie Medienverbund – das Beispiel Berlin
Ein Gegenstand der gedruckten Wiedergabeform, der sich seit über 200 Jahren als zuverlässiger Medienpartner der Architektur erweist, ist die Architekturzeitschrift. Diese Konstanz begründet die Aktualität von drei Fragen, zu deren Beantwortung sich drei kurz gefasste Rückgriffe in die Geschichte anbieten. Denn, um noch einmal Carpo zu bemühen: “Alte Gewohnheiten sind zäh.” (Carpo 2008, 37), und die nur scheinbar aus der Mode kommende Architekturvermittlungsform Zeitschrift kann vielleicht immer noch manches erklären: Welche sind die Hintergründe dafür, dass sich ‘die’ Architekturszene mit Unterstützung dieses Mediums einen selbstreferenziellen Rahmen schafft? Wird diese Selbstbezogenheit akzeptiert, lässt sich fragen, wie, warum und von wem in diesem medialen Raum die Themen ‛gemacht’ werden? In welcher Form und auf der Ebene des Machens wird dabei unter anderem in die Trickkiste der visuellen Vermittlung gegriffen? (Froschauer 2009).
Der historische und geografische Raum mit Hilfe dessen die ‛Zeitlosigkeit’ des Angesprochenen illustriert wird, ist Berlin ‛um 1900’: bereits damals Boomtown des Baues und der Medien gleichermaßen. Nach der ersten Hauptstadtwerdung von 1871 schoss die Fachpresselandschaft für Kunst und Architektur aus mehreren Gründen bunt ins Kraut; vor allem die laute Forderung nach ‛neuen Medien’ kursierte. Was dies für den Sektor des Bauwesens bedeutete, lässt sich am Beispiel der bis heute erscheinenden, deutschen Fachzeitschrift Bauwelt zeigen, die 1910 auf noch unverhohlen zukunftsgläubigem Nährboden entstanden war. Zunächst gilt es die Vorstellung zu überwinden, dass gute Architektur sich generell wie von selbst der Presse empfehle und dass für eine Veröffentlichung allein die Qualität des Gebauten und das Talent des Baukünstlers ausschlaggebend seien. Die Ausrichtung einzelner Blätter wäre demnach nur eine Anschauungs-, allenfalls eine Geschmacksfrage. Jedoch ist es viel aufschlussreicher, nach dem Entstehen neuer Zeitschriftentitel unter Einbezug der Branchengesetze zu fragen. So erfährt man über das Verhältnis von Architektur und Medien ganz anderes, wenn beispielsweise eine Zeitschriftengründung wie die der Bauwelt vor ihrem unternehmerischen Hintergrund betrachtet wird. Und es wird deutlich, dass ein neues Printprodukt der Architektur, hier unter der Obhut eines Medienkonzerns des frühen 20. Jahrhunderts erschienen, nicht nur mit der altruistischen Notwendigkeit zur Präsentation guter Baukunst, sondern auf Basis medienökonomischer Fakten zu begründen war. Auch an eine These Friedrich Kittlers zu den historisch aufeinanderfolgenden, medialen ‛turns’ lässt sich hier anschließen, wo “Medienverbünde” aus je neuen Medien nur mit Hilfe ihrer zugewiesenen, technischen Reproduktionsweise wirkten (Kittler 2002, 76). So wird deutlich, dass der Erfolg einer neuen ‛Illustrierten’ des Bauwesens sowohl auf neuen Reproduktions- und Druckmethoden fußte und gleichzeitig ein ganzes Bündel von Interessen aus Mediendienstleistung und Bauwirtschaft zu bedienen hatte: dies hieß nicht nur, der Architekturszene ein schönes neues Blatt an die Hand zu geben, sondern ebenso eine rentable Anzahl von Abonnements zu generieren. Damit ist vielleicht der Mythos des Architekturzeitschriftenmachens angekratzt, das Verhältnis von Architektur zum Medium aber etwas bereinigt, und die Prozesse des Themen-Machens lassen sich bewusster betrachten.
Ein Medium, das eine besondere Spielart davon am gleichen Ort und zur gleichen Zeit zeigte, war die Berliner Architekturwelt (erschien von 1898-99 bis 1919). Dieses Architekturjournal trug bereits im Titel einen seltsamen Antagonismus, der darauf hinwies, dass mit einer konstruierten Begriffssetzung gearbeitet wurde. Der Zweck dieses ebenso erfolgreichen Journals lag nämlich darin, zu Anfang des 20. Jahrhunderts die Hauptstadt zum führenden deutschen Zentrum architektonischer Entwicklungen ‛herbeizuschreiben’. Die ‛Welt’, die die Zeitschrift meinte, war tatsächlich recht begrenzt: Berlin wurde als ein künstlerisch einheitlicher Raum aufgefasst und jeder Blick, den die Berichterstatter über die Stadt hinaus richteten, kehrte wie ein Bumerang zurück. Nur von Neubauten aus Berlin und nur von Berliner Architekten sollte berichtet werden, mit der Begründung, dass die Stadt eben “Tummelplatz für alle künstlerischen Talente” (Berliner Architekturwelt 1899, 4) sei. Die wichtigen Reformen, die damals andernorts vor sich gingen, wurden ausgeblendet und stattdessen lieber der Begriff der ‛Neuberlinisierung’ lanciert, der hundert Jahre später erneut Konjunktur haben sollte.
Denn als Berlin 1990 zum zweiten Mal zur gesamtdeutschen Hauptstadt erhoben wurde, ging es erneut darum, eine zu erwartende Transformation zu steuern und die Begriffe zu besetzen. Es ging also erneut um Deutungshoheit, und natürlich haben (Fach-)Zeitschriften eine Rolle im bis heute nachwirkenden “Berliner Architekturstreit” der 1990er und 2000er Jahre gespielt. Wie und dass solche Prozesse innerhalb der Architektur, der so öffentlichen Kunst, über zunächst imaginierte Raumbilder dann manifeste Folgen zeitigen, ist mittlerweile für das nicht mehr so ganz ‛neue’ Berlin der Nachwendejahre längst Gegenstand historischer Untersuchungen (Hertweck 2010). Werner Sewing begründete überdies solch definitionsmächtiges, mediales Agieren im Rückblick auf die Berliner Hauptstadtarchitekturfragen der 1990er Jahre einmal damit, dass längst “Bildregie” die Autonomie der Architektur bedrohe (Sewing 2003). Er konstatierte damit für die Gegenwart ernüchtert, dass in der Reflexion über Architektur und Stadt das Gebaute selbst und auch das Gedruckte ihren Einfluss im Definitionsprozess an jenen des Bildes abgegeben hätten: nur, das ist nicht wirklich neu, so liest man zum Beispiel bei Siegfried Kracauer, der bereits 1927 im Falle Berlins beschrieb, dass die angeschaute und abgebildete (gebaute) Welt selbst sich längst ein “Photographiergesicht” zugelegt habe (Kracauer [1927] 2011, 693).
Dabei waren bereits um 1900 der Status der Bilder und die Rolle, die die Fotografie in den Architekturzeitschriften dieser Jahre einnahm, ganz andere geworden. Die stete Zunahme von Bildreproduktionen in Zeitschriften und Büchern erklärt sich unter anderem durch den technischen, inhaltlichen und mengenmäßigen “Visualisierungsschub” (Wilke 2000, 306) des 19. Jahrhunderts. Auch Architekturfotografie sollte nicht nur dokumentieren, sie sollte erzählen, und das bedeutete, dass Abbildungen vor dem Druck der deutlichen Nachbearbeitung und gesteuerten Auswahl unterlagen. Nicht ganz auflösen lässt sich dabei die Frage, ob die damals technisch notwendige Retusche mehr noch branchenübliches Handwerk oder bereits ‛tool’ der Bildbearbeitung war, das formale Merkmale eines Motivs deutlich verstärken oder abschwächen konnte – zumal solches Vorgehen meist erst mit der Architekturfotografie der 1920er Jahre als ‛stilbildend’ angesehen wird.
Wirksame Neuverknüpfung?
Fokussiert man auf die Beziehungsgeschichte von Architektur und Medien am Beispiel der Magazine, so folgte diese zu Anfang des 20. Jahrhundert längst einer Traditionslinie, die mit immer wiederkehrenden Fragen verbunden ist: Verlagert die mitteilungsfreudige Architekturszene in Zeiten von Auftragsrückgang und Krisen ihre Ausdrucksmöglichkeiten selbstverständlich aufs Publizieren, um sichtbar zu bleiben? Boten und bieten Zeitschriften einen geeigneten Labortisch, um die Wirkung des Neuen zu testen, selbst wenn dieses vielleicht nie ins Werk gesetzt werden konnte und kann? Und letztlich vor dem Hintergrund, dass (Fach-)Magzine immer nur eine begrenzte Öffentlichkeit erreichen, dienten und dienen diese im Sinn von ‛Organ’ und ‛Instanz’ nicht wesentlich dazu, sich der fachlichen Gemeinschaft selbst zu versichern, diese zu formen und zu fördern?
In jedem Fall bleibt bedrucktes Papier für die Architektur für lange Zeit ein relevantes und kampfeslustiges Medium. Die heute als klassisch begriffenen Avantgarde-Magazine aus den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts, darunter legendäre Titel wie ABC und G., nutzten diesen Kanal der Vermittlung auf bestmögliche Art und Weise. Die spätere explosionsartige Welle radikaler, kleiner Magazine der 1960er und 1970er Jahre belebten diese Mitteilungsform aufs Neue. Damit galt, was Beatriz Colomina in der Arbeit an den “little radical magazines” ausmachte, “that the proliferation of new technologies of communication and reproduction has played an enormous role in defining historical and contemporary avant-garde practices”. Es erschien die ‛alte’ Form der Magazine immer noch durchsetzungsfähig, um als “Inkubatoren” für neues Denken der architektonischen Produktion dienlich zu sein (Colomina, Buckley 2010, 11). Als beispielsweise vor etwa zehn Jahren ein neues ‛little magazine’ im Kontext der Weimarer Bauhaus-Universität gegründet wurde, fragten sich die studentischen Herausgeberinnen und Herausgeber der mittlerweile mehrfach ausgezeichneten Horizonte. Zeitschrift für Architekturdiskurs: “Kann sich eine Zeitschrift [...] überhaupt mit neueren, interaktiveren und vor allem schnelleren Formaten wie Blogs und Foren messen? Wir wissen es nicht. Aber wir glauben an die Verbindlichkeit des Papiers” (Horizonte 2010, 2).
Auch die Frage nach gedruckter oder digitaler ‛Bildlichkeit’ lässt sich kaum von jenen zuvor erwähnten Medienwechseln und der Tradition ‛handwerklicher’ Eingriffe am Bild entkoppeln. So feierte beispielsweise die Netzwelt im Frühjahr 2010 den 20. Geburtstag von Photoshop und war dabei über ihr schnelles Altern und die Etabliertheit der zu Anfang fast ‛anstößigen’ technischen Eingriffe erstaunt (Lischka 2010). Dabei ist Bildbearbeitung eine fest verankerte Kulturtechnik in der Architektur, sowohl im Bereich des pre-konstruktiven Visualisierens, im unmittelbaren Akt des Entwerfens genauso wie beim post-produktiven Dokumentieren und Veröffentlichen nach eventuell erfolgtem Bau. Die Bilder dieser einzelnen Stadien, die jeweils einen bestimmten Wirklichkeitsgrad herzustellen suchen, unterscheiden sich dabei meist nur graduell voneinander. Bilder und Bildlichkeit sind unabhängig von ihren Träger- und Veröffentlichungsmedien und dem Zeitpunkt ihres Einsatzes in Entwurfs- und Bauprozessen hochwirksame “operative” Artefakte. Sowohl im alltäglichen, werkzeugartigen Gebrauch in den Architekturbüros sowie in der elaborierten Reflexion, wenn beispielsweise Sybille Krämer über Diagrammatik und die “nützlichen Bilder” schreibt, dass diese den “Sprachcharakter” des Raumes einnehmen würden (Krämer 2009, 95).
Mit diesem letzten Hinweis auf die Evidenz des Bildes, also dessen Kraft zu ‛zeigen’ und zu ‛überzeugen’, lässt sich zunächst auf Intro 2 zurückschließen: Es wäre nicht Loos gewesen, hätte er nicht angemerkt, dass es ihm zwar versagt geblieben sei, über das Publiziertwerden seine Eitelkeit zu befriedigen, Einfluss habe er ‛trotzdem’ gehabt (Loos [1910] 1995, 80).
Es ist also viel nützlicher, als immer wieder das schnelle Sterben und Werden der Medienformate (in der Architektur) festzustellen, den Fakt der gegenseitigen Bedingtheit in all seinen Spielarten zu betonen. Selbstverständlich prägen und bisweilen bedrängen immer neue Medienformen die Architekturproduktion auf vielen unterschiedlichen Ebenen, aber umgekehrt entwickeln “architect-authors”, wie Alan Powers in seiner Eloge auf Gedrucktes schreibt, immer wieder den experimentellen Willen, das jeweilige Medium produktiv zu nutzen und es auf diese Weise selbst zu verändern (Powers 2002, 157). Und so ist es nicht mehr verwunderlich, wenn, wie in Intro 1 gezeigt, ein so einflussreiches Büro wie OMA samt Forschungsabteilung AMO erneut das Medium eines (nur gedruckten) Modemagazins nutzen, um den eigenen Status als innovative Ideentreiber in der Architekturszene zu untermauern. Beide Szenen – und das Medium selbst – können davon wohl nur profitieren!
* Dieser Text ist ein aktualisierter und überarbeiteter Wiederabdruck des im österreichischen “UmBau” 26 (2013), 107-114, erschienenen Textes der Autorin mit dem Titel “Einige Anmerkungen zu Funktionsweisen der Architektur im Medium”. Englische Übersetzung des Abstracts: Anna Kostreva.
Bibliografie
- Alberti 1485
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Interview mit den Machern von 032c. Jörg und Maria Koch: Diese Berliner verstehen wirklich was von Mode, “Berliner Zeitung online”, 13.6.2021: https://www.berliner-zeitung.de/wochenende/joerg-und-maria-koch-die-einzigen-berliner-die-was-von-mode-verstehen-li.164144 [10.08.2021]. - Carpo 2001
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English abstract
On the timeliness of media relationships between architecture and journals.
Media and architecture have always been in a close, interdependent and mutually beneficial relationship. Apart from the very general understanding that architecture itself is a medium, the focus here is on a form of media that has only perhaps gone out of fashion – the trade journal, the magazine – which must be considered one of the most important forms of publication in the architectural scene for over two centuries. At this point the question arises as to whether the printed journal has reached the end of its life, or whether its history teaches us principles and modes of action that remain relevant across past and still coming media changes. For apparently the basic rules of the game between representing and being represented have hardly changed: architects must have specialized media skills, are supposed to learn from public relations manuals and should plan announcements and publications strategically, preferably on all available platforms – from journals to social media. What is often overlooked behind this statement is that the ‛architectural scene’ has always and essentially functioned in conjunction with media. The publications of architecture in different media formats constitute much more a lineage of tradition than a relationship of two components that must always be reinvented. This thesis is presented in three sections: the first deals with the at times momentous media changes in forms of representation for architecture; the second is an example of a media relationship between architecture and journals, illustrated by an excursus on ‛Berlin’ since 1900; the last section is devoted to the on-going effectiveness of the history of the relationship between architecture and the media of journals. In all cases, history is used to argue for the present.
First, there are two short introductions that point to the current relevance and historicity of the subject. One example is the almost retroactive usefulness of a printed culture and fashion magazine for the ever-new manifesto representations coming out of the workshop of OMA/AMO in 2021. We can contrast this with a very early reference from the 1910s, when Adolf Loos coquettishly complained that his architecture did not work at all in the latest representation of the time, photography, because he established himself against such a background as an influential ‛media maker’ of architecture in his own right.
The first part, Architectural Representation and Media Change, argues through Mario Carpo's illuminating investigations into the connection between architectural thought and media representation – from handwriting to printing technology. Carpo thus achieves nothing less than to retell the media history of architecture since Leon Battista Alberti and to pose the explosive question: what effects does it have on building itself when long-practiced forms of reproducing architecture are ‛reformatted’ in terms of a change of media? Carpo thinks these media ‛shifts’ into the age of full digitization, questioning historicity and modernity.
Against this background, part two then presents how a Lineage of Tradition of Media Relationships (using the example of the publication topic ‛Berlin’) spans two time periods from ‘circa 1900’ to ‛circa 1990’. The medium of the trade journal, in particular, repeatedly created a self-referential framework for the ‛architectural scene’ within which certain topics could be literally ‛made’. Two media examples, the journals Bauwelt (existing from 1910 until today) and Berliner Architekturwelt (existing from 1898-99 to 1919), were dedicated to this ‛making’ of Berlin: Bauwelt was considered highly modern and ‛illustrated’ – or sought to serve the entire building industry with media services – and Berliner Architekturwelt endeavoured to create the idea and concept of ‛New Berlinisation’, a notion that was to become popular again around a hundred years later, when there was once again a struggle for the interpretative sovereignty of the concept of a New Berlin in the context of architecture. There is no doubt that the media “directed the image” (Werner Sewing).
Over the course of the 20th century, the architecture journals took on the role of being a relevant and combative medium first with the classic avant-garde journals of the first decades of this century and later with the many colourful ‛little magazines’ that pushed forward not only architectural, but also the social renewal of the 1960s and 1970s. The final section of the text therefore asks the question of whether an Effective Re-coupling of architecture and (printed) medium, one of aspiration and influence, is possible, especially against the background of the indisputably growing power of images to ‛show’ and ‛convince’ in equal measure.
The conclusion emphasizes the mutual and reciprocal conditionality of architecture and its media, with the remark that architects themselves play a significant role in shaping and designing these media forms (English translation by Anna Kostreva).
Keywords | Architectural Magazines; Berlin Around 1900; Change of Media; Media Representation; Photography; Visuality; Visualization.
Per citare questo articolo / To cite this article: Eva Maria Froschauer, Zur Aktualität des Medienverbundes Architektur und Zeitschrift, “La Rivista di Engramma” n. 188, gennaio-febbraio 2022, pp. 239-250 | PDF dell’articolo